Die Fenster weit geöffnet, rauschen die Felder an mir vorbei. Ich spüre den warmen Wind, der meine Haare zerzaust und muss lächeln. Die Ampel wird rot, ich nehme den Fuß vom Gas. Im Radio tönt nur „Oh, child, oh child… don’t you worry(…)“. Ich singe lauthals mit. Ich höre das leise Klicken des Blinkers und warte auf die nächste Grünphase. Dieser Tag ist gut.
Ein Tag könnte auch nur einfach ein Tag sein, wenn er nicht umringt wird von schönen Worten. Ein Tag an dem nicht viel passiert. Doch auch an einem Tag, den wir als durchschnittlich bezeichnen, denken wir ca. 60000 Gedanken. Also, umringe ich meinen Tag mit Sonnenblumen, Gänseblümchen und allem, was schön aussieht, weil das jeder Tag verdient hat. 60000 Gedanken.

 

„Ich wollte immer wie die anderen sein, nur dass das absolut nichts bringt und dass das absolut nicht geht, weil’s die anderen ja schon gibt. Und als das endlich klar war, war für mich der erste Neubeginn und seitdem kann ich sagen, dass ich meine beste Freundin bin.“

Dieser Vers ist nicht von mir, er gehört Julia Engelmann, doch er schwirrt mir, seit ich auf ihrem Konzert war in meinem Kopf herum. Ich esse keine Grapefruit zum Frühstück, doch selbst in meinem Kopf klingen diese Worte wie in ihrem Lied, mit allen dramatischen Pausen. Er ist wie eine Erinnerung daran, wenn ich mich von mir selbst entferne. Wenn ich mein Lachen vergesse.

Flashback.

Mein Spitzname früher war Sonnenschein. Irgendwann, in der Pubertät, war mein strahlendes Lachen übertönt von zu lauten Gedanken. Die Leichtigkeit wich der zentnerschweren Last, die ich mir selbst aufbürdete. Alles erschien plötzlich mühevoll und ich vergaß, wer ich war, vergaß mein Licht – meinen Sonnenschein. Ich habe das kindliche verloren, vergessen was mir Spaß machte. Irgendwann begann ich mich zu erinnern. Es war nicht bewusst und irgendwie auch nicht ich selbst, vielmehr mein jüngeres Ich. Ich erinnerte mich daran, wer ich war und wer ich sein wollte. Ich konnte noch in meinen Beinen spüren, wie es sich anfühlte zu laufen, zu rennen, wie es sich anfühlte Fangen zu spielen ohne gefangen zu sein, wie sich schallendes, lautes Lachen anhört, so eins, bei dem der Bauch richtig weh tut. Ich ließ die Schatten los und damit auch den Vorwurf. Die innerliche, kindliche Wut, auf die Welt, mich selbst, die Welt, aber vor allem mich selbst. Mit der Erinnerung, begab ich mich auf die Suche. Ich fand das Wort und meine Kreativität entfachte. Umgeben von Büchern nahm ich irgendwann wieder den Pinsel zur Hand und begann zu malen, hörte auf zu vergleichen und – lebte. Ich bin am Leben. Durch mich selbst, lernte ich mich selbst kennen und das, was ich gerne tat. Vielleicht waren es nicht mehr die selben Dinge wie als Kind, doch das Kind in mir, wusste wie sich echte Leidenschaft anfühlt. Und wenn du Dinge tust, bei denen das kleine Mädchen in dir mit aufgeschürften Knien anfängt zu strahlen, weißt du dass das genau das Richtige ist.

Ich habe mich viel mit meinen Narben beschäftigt, damit, was sie mit mir gemacht haben, wie sie mich verändert haben. Viele tun noch manchmal weh, wie kleine Flashbacks, holen mich Lieder, Worte, Situationen zurück. Ich bin wieder 10, 15, 19. Als wäre ich nicht gewachsen, nicht voran gekommen. Ich bin heute dankbar für all den Schmerz. Doch während ich an ihm gewachsen bin, habe ich vergessen, was ich aus den schönen Momenten gelernt habe. Wir können aus allem eine Lehre ziehen, doch letztlich ist es wohl der Schmerz, der uns am längsten im Gedächtnis als etwas bleibt, woraus wir Weisheit ziehen. Manchmal ist da noch etwas das mich aus der Balance bringt. Doch ich bin viel mehr in der Mitte von Licht und Schatten als ich es jemals war.

…oh child, you’re gonna be ok.